Räumliche Nachhaltigkeit
Städte und Gemeinden stehen heutzutage vor täglich steigenden Anforderungen:
Bürger, Objekte und Infrastrukturen müssen trotz abnehmender Wirtschaftskraft und ständig wachsenden Aufgaben mit immer weniger Personal nachhaltig gepflegt und verwaltet werden,
Ein Geoinformationssystem (GIS) ermöglicht, vor dem Hintergrund der zentralen demographischen, sozio-ökonomischen und -ökologischen Herausforderungen, durch den gemeinsamen Raumbezug eine vernetzte und ganzheitliche Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt sowohl bei der Weiterentwicklung des Lebens- und Wirtschaftsraums als auch bei der Aufrechterhaltung der Grundversorgung. Gleichzeitig können mit einem GIS verschiedene Szenarien simuliert werden, sodass eine Entscheidungsunterstützung für ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Planungen geboten werden kann.
GIS hilft bei der Frage, „WO“ ein Phänomen auftreten kann/wird.
Nachfolgend werden einige Beispiele anhand einer Mustergemeinde gezeigt.
Flächennutzung
Die Gemeindefläche bildet die Ausgangsbasis für alle räumlichen Betrachtungen. Neben den Grenzverläufen und den Eigentumsverhältnissen sind dabei vor allem die Nutzungsarten der einzelnen Flächen von Bedeutung.
In den Daten der Regionalstatistik sind die prozentualen Anteile der Flächennutzung pro Gemeinde an Gebäude- und Freiflächen, Betriebsflächen, Erholungsflächen, Verkehrsflächen, landwirtschaftlichen Flächen, Waldflächen, Wasserflächen, Abbauland und Flächen anderer Nutzung enthalten. Eine Aussage, wo sich diese Flächen befinden, erhält man jedoch nicht.
Die detaillierte Nutzungsart einer Fläche befindet sich ebenfalls in den Amtlichen Daten des Landesvermessungsamtes. So werden für die Nutzungsarten im Liegenschaftskataster regelmäßig Luftbilder nutzungsscharf ab digitalisiert. Für die untenstehende Abbildung der Modellgemeinde sind so z.B. 135 verschiedene Flächen-Nutzungsarten darstellbar.
Durch eine Zusammenfassung der einzelnen Nutzungsarten in Flächennutzungskategorien, wie z.B. Freizeit und Erholung, Wohnen, Verkehr, lässt sich räumlich darstellen, auf welchem Gemeindegebiet welche Nutzungsart vorherrscht.
Gleichzeitig lassen sich ebenfalls die prozentualen Flächenanteile der einzelnen Nutzungskategorien an der gesamten Gemeindefläche ermitteln, um damit Vergleiche zwischen den Gemeinden des Amtsgebietes herzustellen oder Aussagen für das gesamte Amt zu erstellen.
Durch die freie Art der Datenzusammenführung und -darstellung können z.B. auch Karten zur Flächenversiegelung erstellt werden. Der Phantasie und Auswertefähigkeit sind hier keine Grenzen gesetzt.
Geoinformationen helfen u.a. bei der Antwort auf Fragen, wie:
Demographischer Wandel
In einigen Landesteilen Schleswig-Holsteins ist nach aktuellsten Berechnungen des Statistischen Landesamtes Nord mit einem Bevölkerungsrückgang um bis zu 8,1% bis zum Jahr 2025 zu rechnen.
Die vor kurzem aktualisierten statistischen Prognosen für die Alterszusammensetzung der Bevölkerung in den Kreisen und kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins lassen einen dramatischen Anstieg der Haushalte mit Einwohnern über 60 Jahren bei gleichzeitiger starker Abnahme der Haushalte mit Bewohnern unter 20 Jahren erkennen.
Geoinformationen helfen u.a. bei der Antwort auf Fragen, wie:
Welche Wohngebiete werden bald viele Leerstände aufweisen?
Für eine nachhaltige Planung von Infrastrukturkapazitäten sind jedoch kleinräumige Betrachtungen notwendig. So lässt sich z.B. anhand der Daten aus dem Einwohnermeldeamt ermitteln, wie viele Bewohner an einer Adresse gemeldet sind. Daraus kann u.a. abgelesen werden, in welchen Gebieten eher Familien wohnen (>3 Personen), viele alleinstehende Personen (1 Person) oder sich Leerstände befinden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen solche Informationen nur veröffentlich werden, wenn mind. 50 Haushalte in einem Quartier zusammengefasst sind.
In der Abbildung wird z.B. deutlich, dass das Baugebiet links überwiegend nur noch aus Zwei-Personen-Haushalten besteht. Es handelt sich hier also vermutlich um eines der typischen „empty nest“-Wohngebiete, bei denen die Kinder bereits ausgezogen sind und es nun zu einer kollektiven Alterung der Bevölkerung.
Jeder gute Bürgermeister weiß auch ohne Karte, wo sich solche Gebiete in seiner Gemeinde befinden. Der große Vorteil von GIS liegt hier in der Massenauswertung: bei guter Datenlage sind solche Gebiete mit wenigen Mausklicks identifiziert und können, da sie mit den gleichen Bewertungskriterien ermittelt wurden, zum neutralen, objektiven Vergleich herangezogen werden.
Bei unklaren Situationen dürfen laut Innenministerium auch adressscharfe Auswertungen durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass die Daten nicht veröffentlicht werden und es sich nicht um regelmäßig wiederkehrende Analysen handelt.
Aufrechterhaltung der Grundversorgung
Jeder neue oder weggezogene/verstorbene Bürger beeinflusst die Auslastung der sozialen und technischen In-frastrukturen, auch ändern sich die Nutzungsarten in Abhängigkeit von Alter und Lebenslage. Die Gleichheit aller Menschen und die Pflicht zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ist jedoch im Grundgesetz als Grundrecht für alle Menschen klar geregelt. Als sog. Grundversorgung werden die unverzichtbaren örtlichen Leistungsangebote, wie Schulen, Kindergärten, Gesundheits- und Beratungseinrichtungen, ÖPNV, Straßen und technische Ver- und Entsorgung bezeichnet.
Der demographische Wandel und die knappen Kassen erfordern nun, besonders genau auf vorhandene Kapazitäten zu blicken und diese in Abhängigkeit von der räumlichen Nähe zu ihren Zielpersonen zu bewerten. Ein Beispiel ist die in weiteres Beispiel umfasst die Nah- und Grundversorgung mit Lebensmitteln in der Modellgemeinde. Die Zielentfernung für eine gute Erreichbarkeit liegt abgestuft bei 400m (sehr gut), 1000m (gut) und 1500m (erträglich).
Sollen nun neue Baugebiete ausgewiesen werden, muss auch die Erreichbarkeit analysiert werden. Die Modellgemeinde scheint über eine ausreichende Lebensmittelversorgung für den täglichen Bedarf zu verfügen. Hiermit lässt sich auch Werbung für die neuen Baugebiete machen.
Mit Geoinformationen lassen sich z.B. folgende Fragen beantworten:
Klimatische Veränderungen
Seit einigen Jahren ist es auch in Schleswig-Holstein vermehrt zu Extremwetterverhältnissen gekommen. Starke Regenfälle führten zu überfluteten Straßen und Kellern, Stürme und Orkane ließen Bäume umknicken und Dächer abdecken, Schneeverwehungen und dicke Eisschichten verursachten Verkehrschaos und extreme Dürreperioden machten den Landwirten zu schaffen.
Bei zukünftigen Planungen müssen diese klimatischen Veränderungen berücksichtigt werden. Hier können z.B. hydraulische Berechnungen den Oberflächenabfluss des Regenwassers für verschiedene bauliche Szenarien simulieren, geschickt platzierte Windsperren die Gefahr von Schneeverwehungen minimieren oder räumlich optimierte Rettungsszenarien die Arbeiten der Feuerwehren unterstützen.
Geoinformationen beantworten z.B. diese Fragen:
Energetischer Wandel
Viele Haushalte und Landwirte haben bereits in Photovoltaik- oder Solaranlagen investiert, Biogasanlagen und Windkraftanlagen wurden gebaut. Nun gilt es, sich innerhalb der Gemeinden gemeinsam mit den Bürgern und den ortsansässigen Unternehmen über ganzheitliche, alternative Energiekonzepte abzustimmen.
Eine einfache Art z.B. der Ermittlung von Potenzialflächen für Photovoltaik oder Solaranlagen ist die Verwendung der Gebäudegrundfläche aus ALKIS. Bei einem Gebäudegrundriss > 1000m² kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Flachdach mit einer ähnlichen Größe handelt. Diese eignen sich in der Regel sehr gut für die Gewinnung von Energie aus Sonneneinstrahlung.
Durch die Überlagerung mit dem Luftbild lassen sich die Potenzialflächen von oben betrachten und durch die Verbindung mit den Adress- bzw. Eigentümerdaten auch Kontakt zum Eigentümer herstellen.
Mit Hilfe von Geoinformationssystemen können auch heutige Energiebedarfe (z.B. Standorte energieintensiver Unternehmen, Straßenbeleuchtung, Energiebedarf der Haushalte auf Basis der Bewohnerzahl und des energetischen Grundzustands des Gebäudes) ermittelt und gemeinsam mit den Energiepotenzialen (Wärmedämmung, Energieeinsparung, Windkrafteignungsflächen, landwirtschaftlichen Flächen) nebeneinander in digitalen Karten aufgezeigt werden. Diese Eingangsdaten können die Basis für verschiedene Szenarien („Was passiert dann?“) bilden. Ein Beispiel für ein solches Szenario wäre: „Reicht die landwirtschaftliche Fläche aus, um eine Biogasanlage nachhaltig betreiben zu können, ohne dass es zur Vermaisung, zur verstärkten Abnutzung der landwirtschaftlichen Wege, zu Lärm- oder zu Geruchsemissionen, zu Landnutzungskonkurrenzen, zu Bodenerosion, zum nichtlokalen, CO²-intensiven Anbau von Nahrungsmitteln oder zur unkontrollierten Vermehrung von Rot- und Schwarzwild kommt?“
GIS hilft bei Fragen, wie:
Flächenmanagement
Eine andere Auswertungsmöglichkeit zur Bewertung der Flächenverfügbarkeit besteht in der Analyse der ausgenutzten Grundflächenzahl, aus der sich Flächen für eine potenzielle Hinterbebauung identifizieren lassen.
Die aus dieser Basis selektierten Flächen können im Anschluss hinsichtlich ihrer Potenziale differenzierter betrachtet werden. Hierzu existieren Handreichungen und Richtlinien zur Flächenbewertung. Ein GIS kann auch bei der Bewertung der Flächen (z.B. welches unbebaute Grundstück liegt in einem Naturschutzgebiet? Wie weit ist der nächste Bahnhof entfernt? etc.) unterstützen.
Geoinformationen beantworten z.B. diese Fragen:
Welche unbebauten Flächen sind in meiner Gemeinde verfügbar?